Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » So 29. Jun 2014, 22:13

Enki sah mich entsetzt an, "Du denkst wirklich, meine Geschwister wollen mir übel mitspielen?"
"Nun, ich kann weder in ihre Köpfe noch in ihre Herzen sehen. Jedoch erscheint mir manches merkwürdig. Jahrelang hat sich weder dein Erzeuger noch sonst jemand darum geschert, ob, wo und wie du lebst. Dann kamen diese Aufstände und der Baron musste, wie jeder andre auch, Soldaten stellen. Er selbst zu alt und Amadeus sein einziger legitimer Erbe, da kam doch dieser Enno-Kilian ganz recht. Vermutlich konnte er zwar bei einem Schwert nicht das eine vom andern Ende unterscheiden, aber sollte er es nicht überleben, würde es dem Haus Bachental nicht schaden, schließlich war er ohnehin nur ein Bastard.
Ob nun lediglich dein Vater derartige Gedanken hegte oder auch deine Halbgeschwister beteiligt waren, ich weiss es nicht, kann ja nichtmal sagen, dass es wirklich so war.
Aber nun ist dieser Enki als Sohn anerkannt, hat also Anspruch auf einen Teil des Erbes, es sei denn, er erwiese sich als völlig unfähig auch nur ein kleines Nest wie Mühlingen zu verwalten. In einem solche Falle würde es sich der Baron von Bachental wohl zweimal überlegen, ob er diesem Sohn wirklich Land vererbt.
Vielleicht irre ich mich und tue ihnen Unrecht, doch seltsam dünkt es mich schon."

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Fr 4. Jul 2014, 00:06

Enki hörte mir zwar aufmerksam zu, sagte jedoch nichts, ausser, dass er keinen Wert auf ein weiteres Erbe legen würde. Ansonsten sah er die Vorgänge in Mühlingen offenbar mit völlig anderen Augen. Nun, es war sein Dorf und somit seine Verantwortung. Ich konnte ihn zwar zur Vorsicht mahnen, ihm Anweisungen zu geben, stand mir nicht zu.
Er versprach, die beiden Alten zu Annalenas und Alexanders Hochzeit mitzubringen, so Ottmars Gesundheitszustand es erlauben mochte. Somit machte ich mich auf den Weg, einen Fuhrmann zu suchen, der die Mitgift meiner Tochter nach München schaffen sollte, sobald die Eheschließung vollzogen war. Für das junge Paar hatten Alexanders Eltern eine Kutsche als Geschenk in Auftrag gegeben und die notwendigen Pferde bei meiner Nachbarin Soraya gekauft, die diese zum Hochzeitstag nach Freidorf zu bringen versprochen hatte.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Fr 4. Jul 2014, 02:03

Morgen würde das Erntedankfest stattfinden, ein Grund zur Freude, da es ein gutes Jahr gewesen war, reich an Feldfrüchten und gesundem Jungvieh. Ein Tag, an dem mit vollem Recht dem Herrgott Dank gebührte, für den Segen, der auf Freidorf ruhte und doch ein Tag, dem ich mit gemischten Gefühlen entgegen sah.
Morgen würde meine Tochter heiraten, um anschließend weit weg von ihrem ursprünglichen Heim zu leben. Anvertraut einem Manne, den ich sehr schätzte und doch war es ein Verlust. Ich spürte, dass Marthe ebenso empfand, aber sie akzeptierte es als den natürlichen Verlauf der Dinge.
"Annalena wird weit entfernt von uns leben, doch mit einem Gatten, der sie liebt und achtet, mit Schwiegereltern, denen sie am Herzen liegt. Freilich wäre es schöner für uns gewesen, wäre sie in der Nähe geblieben, doch hier geht es nicht um unser Glück sondern um das unserer Tochter. Kinder sind eben nur eine Leihgabe, die man irgendwann zurückgeben muss in ihr eigenes Leben, sie sind nicht unser Eigentum."
Von Enki hatte ich nichts mehr gehört seit ich in Mühlingen gewesen war. Ob er mit Ottmar und Roswitha zur Hochzeit erscheinen würde?

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Mo 21. Jul 2014, 19:16

"Du wirkst in letzter Zeit ziemlich bedrückt," Ambrosius sah mich nachdenklich an, "ist es deiner Tochter wegen?"
"Nein, es ist Enki. Er hat nicht verstanden, was ich ihm begreiflich machen wollte. Ich glaube, am liebsten hätte er mir den Hals umgedreht.
Obgleich mittlerweile seßhaft, wenn sicher auch nur widerwillig, ist er immer noch der Spielmann, der nicht sehen will oder kann, dass er nicht nur seinem Lehensherren sondern auch seinen Untergebenen ein, seinem Stande gemäßes, Leben schuldet. Freilich hat er sich dieses merkwürdige Haus errichten lassen, aber die Leute sind derartige Allüren von ihren Herrschern gewohnt. Inwendig findest du aber nichts ausser einem Strohsack und ein paar grob gezimmerte Möbel, auch ist es mit der Reinlichkeit nicht weit her, da er keinerlei Gesinde beschäftigt. Will er darin angesehene Gäste empfangen oder Handelspartner? Und dann dieses unselige Treibballspiel. Von jedem Fuhrwerk und jeder Kutsche aus ist zu sehen, dass 22 arbeitsfähige Männer sich während der Erntezeit laut gröhlend mit einem Ball vergnügen, anstatt auf den Feldern zu sein. Das schadet nicht nur seinem eigenen Ruf sondern dem des ganzen Dorfes."
Ambrosius nickte. "Davon habe ich schon Durchreisende sprechen hören und mitunter nicht sehr schmeichelhaft. Mehr, als mit ihm zu reden, kannst du nicht tun. Er ist ein erwachsener Mann, der sein Tun selbst verantworten muss."
"Ich weiss, aber es täte mir für Roswitha und Ottmar leid, wenn er nicht zur morgigen Hochzeit käme. Die beiden Alten hatten sich so sehr darauf gefreut. Allerdings kann Enki ein schrecklicher Sturkopf sein."
"Na, so wie ich Roswitha kenne, ist sie Enki, was die Sturheit anbelangt, haushoch überlegen" lachte Ambrosius.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Di 22. Jul 2014, 00:10

Alexanders Eltern waren mittlerweile eingetroffen, leider ohne ihre Tochter, die wieder guter Hoffnung war und zum Jahresende entbinden sollte. Eine derart lange Reise wäre zu riskant für die Mutter und das Ungeborene gewesen.
Ein Knecht brachte Nachricht, dass das bestellte Fuhrwerk für Annalenas Aussteuer und Gepäck an der Kutschstation bereitstand, ebenso die Kutsche mitsamt Pferden, die das Brautpaar als Geschenk von Alexanders Eltern erhalten sollte. Sie würde pünktlich am nächsten Tag bereitstehen, um das Paar in die Kapelle zu fahren.
In meinem eigenen Haus schien ich mehr als nur überflüssig zu sein. Überall wurde entweder gekocht, gebacken oder geputzt und Marthe war mit Annalena mit den Vorbereitungen für den morgigen Tag beschäftigt.
Walter, dem man gestattet hatte, zur Heirat seiner Schwester nach Hause zu fahren, erging es nicht besser. Auch ihm wurde bedeutet, dass er eigentlich nur im Weg herumstand, selbst Ruben behauptete, keine Arbeit für uns zu haben.
Da es mittlerweile dämmrig wurde und aus der Schreinerei nichts mehr zu hören war, beschlossen wir, Paul aufzusuchen. Vielleicht hatte er ja Muße, ein wenig über die alten Zeiten zu plaudern, bis wir unser Heim wieder betreten konnten, ohne Gefahr zu laufen, von Reisigbesen und Wischwasser vertrieben zu werden.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Fr 22. Aug 2014, 22:09

Der Erntedanktag versprach sonnig und warm zu werden, auch wenn in aller Herrgottsfrüh noch Nebel über Freidorf lag.
Zeitig wurde das Frühmahl verzehrt und anschließend erging es uns Mannsbildern wie am Tag zuvor. Gnadenlos wurden wir aus dem Haus getrieben, hatten die Frauen doch damit zu tun, die Braut uns sich selbst festlich zu kleiden und erstere durfte vor der Hochzeit kein Mann in ihrem Gewand zu Gesicht bekommen.
Walter verschwand mit seinem Bruder, um die Vorbereitungen des Fleisches zu kontrollieren, welches die Knechte über Feuern an Spießen garten. Alexander war in seine Behausung zurückgekehrt, um sich seinerseits zur Vermählung zu rüsten.
So machte ich mich mit seinem Vater auf den Weg zur Kapelle, an der wir etliche Mägde antrafen, die von Sorayas Gut stammten. Diese hatten Körbe voller Herbstrosen mitgebracht und schmückten damit die Eingangstür. Lächelnd dachte ich an meine eigene Hochzeit zurück, die meine Nachbarin mit einem Meer von Blumen verschönert hatte. Ich hätte wissen müssen, dass sie auch diesmal mit dem Überfluss ihrer Gärten für den äusseren Rahmen sorgen würde.
Von Ambrosius war weit und breit nichts zu sehen, er war wohl mit den Vorbereitungen zum Gottesdienst beschäftigt.
"Gott zum Gruß die Herren." Hans von Bamberg war zu uns getreten. "Gott zum Gruß Euer Gnaden." Ich verneigte mich höflich und stellte ihm Alexanders Vater vor. Den Bamberger hatte ich nicht erwartet und hoffte nur, dass ihm in seiner bekannten Großzügigkeit nicht irgendein "besonderes Geschenk" für das Brautpaar eingefallen war, welches zwar gut gemeint und doch unangemessen war.
"Nächstes Jahr, im Maimonat, wird es eine weitere Hochzeit geben," meinte er lächelnd "Dame Soraya hat meine Werbung erhört und da sie königlichen Blutes ist, erhebt mein Herr Vater keine Einwände."
Ich musste mich beherrschen, ihn nicht offenen Mundes anzustarren. Meine Nachbarin, königlichen Geblüts, Himmel, ich hatte sie immer wie Meinesgleichen behandelt. Vor Scham wäre ich am liebsten im Erdboden verschwunden.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » So 31. Aug 2014, 22:49

Er verabschiedete sich höflich, um seine Braut abzuholen. Auch für Alexanders Vater und mich war es an der Zeit, uns festlich zu gewanden, wozu uns die Frauen ins Gesindehaus verbannt hatten.
Zu selbigem waren wir gerade im Aufbruch begriffen, als wir das Rumpeln eines Fuhrwerks vernahmen. Die beiden Ochsen wurden vom ältesten Sohn des Mühlinger Müllers gelenkt und auf dem Karren saßen, zwischen Mehlsäcken mehr schlecht als recht, Roswitha und Ottmar.
Was hatte das denn nun wieder zu bedeuten? Ich schickte den Braumeister schon einmal vor und half den beiden Alten von dem Fuhrwerk und bot ihnen einen Platz in der Laube an. Einer Magd befahl ich, Speisen und Getränke für sie heranzuschaffen, ebenso für den Müllerssohn, den ich einlud, an dem Fest teilzunehmen. Dieser lehnte jedoch dankend ab, er würde zum Erntetanz in Mühlingen erwartet und wolle sich auf den Heimweg machen, sobald die Ochsen getränkt und gefüttert wären.
"Sonst reisst ihm seine Maria den Kopf ab," kicherte Roswitha. Daher wehte also der Wind, obgleich mir der Bursche noch reichlich jung erschien, um auf Freiersfüßen zu wandeln. Aber das sollte nicht mein Problem sein.
"Solltet ihr nicht mit Enki in der Kutsche kommen? Wieso lässt er euch auf diesem Fuhrwerk hierher schaffen?"
"Naja, Enki war das ja nicht," meinte Ottmar, "der ist schon vor Tagen mit seinem Halbbruder aus Mühlingen verschwunden. Wohin weiss kein Mensch. Da hat sich eben der Müller angeboten, der wusste doch, wie gerne wir bei der Hochzeit sein wollten. Er dachte, du würdest sicher für unsere Heimreise sorgen."
"Nun sicher nicht auf einem Ochsenkarren" brummte ich, "aber jetzt entschuldigt mich. Wenn ich nicht rechtzeitig ordentlich gekleidet bin, reisst Marthe mir den Kopf ab."

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Do 4. Sep 2014, 23:55

Ich machte mich auf den Weg zum Gesindehaus, innerlich voller Zorn auf Enki. Dass er nicht den Spielmann geben wollte, nun gut, ziemte sich bei seinem Stand vielleicht nicht. Aber für seine alten Weggefährten, die ihn wie ihren Sohn gehalten hatten, keine anständige Reise zu ermöglichen, das war eines Grafensohnes nicht würdig, Bastard hin oder her.
Egal, nun ging es um die Hochzeit meines Kindes, alles andere war im Moment unwichtig. Naja, nicht ganz, stand mir doch noch die Begegnung mit Prinzessin Soraya bevor, die mich für einen schönen Tölpel halten musste.
Marthe stand vor der Tür und mahnte mich zur Eile, war es doch an mir, meine Tochter ihrem künftigen Gatten zu übergeben. So gerne ich ihr auch erzählt hätte, dass seit Jahren eine königliche Hoheit in unserer Nachbarschaft lebte, es musste bis nach der Trauung warten.
Bei Annalenas Anblick stockte mir der Atem. Über einem silberfarbenem Unterkleid trug sie ein blaues Gewand, auf dem Schleier einen Kranz weisser Rosen. Wenn auch etwas blass, so sah sie einfach wunderschön aus. Die Erinnerung an meine eigene Vermählung überkam mich. Obgleich Marthe damals weniger kostbar gekleidet war, erschien sie mir doch als die schönste Frau auf Erden und für mich war sie es heute noch.
Ich bot meiner Tochter den Arm, um sie zur Kapelle zu geleiten. Zum letzten Mal ihr Schutz und ihre Stütze, bevor ich dieses Amt vertrauensvoll in die Hände Alexanders legen musste.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Fr 5. Sep 2014, 07:34

Tolle Geschichte Saloniki :)
Aber könntest du nicht etwas mehr Farbe reinbringen ?
Beispielsweise ein Bild pro Beitrag oder so.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Fr 5. Sep 2014, 14:27

Hamsterbacken hat geschrieben:Tolle Geschichte Saloniki :)
Aber könntest du nicht etwas mehr Farbe reinbringen ?
Beispielsweise ein Bild pro Beitrag oder so.
Welche Bilder sollten das sein? Dürfte zum Teil Probleme mit dem Urheberrecht geben, einmal ganz abgesehen davon, dass es unmöglich sein dürfte, ein und die selbe Person in verschiedenen Situationen im Netz zu finden.

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