Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Sa 27. Apr 2013, 02:00

"Schade um die vielen Pflaumen, die verderben, weil sie so schnell weder gegessen noch verkauft werden können." Sinnend stand Muhme Angela zwischen den Bäumen und besah sich die verdorbenen Früchte, die ringsum, von Wespen umschwärmt, auf dem Boden lagen. "Du solltest eine Presse bauen, Pflaumensaft schmeckt nicht nur gut, er ist auch ein probates Mittel gegen Hartleibigkeit. Später könnte es sich auch durchaus auszahlen, Reben anzubauen und Traubensaft herzustellen."
"Das ist alles schön und gut, aber eine Saftpresse, in der niemand arbeitet, ist sinnlos. Hier ist niemand, der das noch nebenher bewerkstelligen könnte" gab ich zu bedenken.
"Meine früheren Nachbarn haben eine Tochter, die alt genug wäre, in Dienst zu treten, ich werde gleich mal anfragen, ob sie uns Marthe überlassen würden. Auf dem Hof ihrer Eltern hat sie fleissig mitangepackt und ist als sittsame Jungfer bekannt. Weit hat sie es auch nicht bis hierher, so werden ihre Eltern keine Einwände haben."
Einige Stunden später kehrte die Muhme zurück. "Marthes Eltern sind einverstanden, ihre Tochter zu schicken, sobald du die Saftpresse gebaut hast."
Das war mal wieder typisch Muhme Angela, sie wartete nicht erst ab, ob und wann eine Entscheidung getroffen wurde, sie handelte einfach so, wie es ihr richtig erschien. Vermutlich war sie auch deswegen eine so gute Wehmutter, versuchten ihr doch die alten Weiber oft genug, ihr mit unmöglichen Ratschlägen ins Handwerk zu pfuschen.
So ließ ich denn eine Presse bauen, in der Marthe nun unsere Pflaumen in Saft verwandelte, der sich gut verkaufte. Die Reben müssen allerdings noch warten, zum einen sind sie teuer und zum andern brauchen sie Land. Letzters ist knapp und neues nur mit Gold zu erwerben. Das ist nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Sa 27. Apr 2013, 23:10

Ich saß gerade beim Abendbrot, als Muhme Angela von einer Geburt zurückkehrte.
"Hast du noch eine Portion Eintopf übrig und vielleicht einen Becher Traubensaft? Ich mag heut nicht mehr kochen." Sie setzte sich zu mir auf die Bank und nahm dankend die Suppe und den Saft entgegen.
"Sag mal, hast du eigentlich mit der Marthe schon gesprochen?" "Mit der Marthe? Warum sollte ich mit der Marthe sprechen?" Die Muhme lachte "Brauchst nicht gleich rot zu werden. Ich bin doch nicht blind. Kaum wirst du ihrer ansichtig, starrst du nur hinter ihr her und vergisst das arbeiten. Es ist nicht zu übersehen, dass du bis über beide Ohren verliebt bist. Aber wie denkt sie darüber? Freilich können ihre Eltern sie auch gegen ihren Willen verheiraten, für gut halte ich es aber nicht. Die Liebe mag mitunter während der Ehe entstehen, tut sie es nicht, führt das nur zu Unglück."
"Du hast schon recht, ich hätte die Marthe gern zum Weib, jedoch währt die Trauerzeit um den Oheim noch etliche Monde, da wäre es nicht schicklich, ein Fest abzuhalten."
Die Muhme lachte. "Ja glaubst du denn, eine Hochzeit würde von heut auf morgen stattfinden? Da du keine Eltern mehr hast, ist es meine Pflicht, den Ehevertrag auszuhandeln. Auch brauchst du ein Haus, willst du mit deiner Frau nicht in dieser winzigen Kammer hausen. Das alles nimmt etliche Zeit in Anspruch. Aber zunächst solltest du die Marthe fragen, ob sie dich überhaupt ehelichen möchte. Ich werde jetzt erstmal nach Hause und zu Bett gehen, es waren anstrengende Stunden."
Nachdenklich saß ich am Tisch. Freilich schien ich der Marthe nicht zuwider zu sein, sie sprach und scherzte gern mit mir, ihr Herz mochte trotzdem einem anderen gehören. Um das herauszufinden, würde ich mich ihr erklären müssen, was aber, wenn sie mich auslachte?
Ich würde darüber nochmal schlafen, heute war es ohnehin zu spät.
Zuletzt geändert von Gast am Do 2. Mai 2013, 22:04, insgesamt 1-mal geändert.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » So 28. Apr 2013, 22:38

Es brauchte noch einige Nächte mehr, bis ich den Mut fasste, zu Marthe zu gehen, um mit ihr zu sprechen. Überflüssige Sorgen hatte ich mir gemacht, sie hatte längst darauf gehofft, ich würde ihr einen Antrag machen. Überglücklich bat ich die Muhme, bei Marthes Eltern in meinem Namen vorzusprechen, unsicher, ob diese einverstanden sein würden, ihre Tochter einem Mann zu vermählen, der kaum etwas besaß. "Sie ist keiner armer Leute Kind und was hab ich schon zu bieten" gab ich zu bedenken. "Nun hör aber auf" schalt Muhme Angela "in der doch recht kurzen Zeit, die du hier bist, hast du einiges aufgebaut, das zeugt von deinem Fleiss und Geschick, was könnten sich Eltern mehr von einem Eidam wünschen."
Warum auch immer, es sprach sich in Windeseile herum, dass ich im Begriff war, zu heiraten. So gratulierte mit auch Enki, den ich einige Tage später traf, zu meinem bevorstehenden Glück.
"Wo du gerade die Heirat ansprichst, mir ist zu Ohren gekommen, dass dein Verwalter ohne den Segen der Mutter Kirche mit einer Frau zusammenlebt. Wenn das ruchbar wird, könnte es ordentlich Ärger mit der Geistlichkeit geben." Enki wurde bleich "Woher weisst du das denn, als ich mit den beiden sprach, war niemand sonst anwesend, dachte ich zumindest. Aber was soll ich jetzt tun, heiraten sie vor dem Burgkaplan, weiss alle Welt darüber Bescheid und man wird dem Umstand dieses sündhaften Zusammenlebens die Schuld an allen Unglücken geben, womöglich noch an dem Überfall auf die Kutsche, dann wäre sie ihres Lebens nicht mehr sicher."
"Du kommst doch viel im Land herum" meinte ich, "kennst du nicht irgendwo einen verschwiegenen Priester, der sie trauen könnte? Ein Grund, warum sie ein paar Tage von Mühlingen abwesend sind, sollte sich doch finden lassen."
Enki überlegte "Ich könnte den Beichtvater meines Vaters fragen. So weit entfernt ist das Gut nicht und es gibt ja immer mal kranke Anverwandte, an deren Bett man eilen muss. So könnte man die Abwesenheit der Beiden notfalls erklären. Du hast schon recht, so, wie es im Moment ist, kann es nicht bleiben. Der Aberglaube in Mühlingen ist ohnehin zum Haare raufen, da bedarf es nicht noch neuer Nahrung. Ich werde schleunigst nach Mühlingen zurückkehren. Danke für Deinen Rat."
Enki machte auf dem Absatz kehrt und eilte davon.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Mo 29. Apr 2013, 23:31

Muhme Angela kehrte mit guten Nachrichten von Marthes Eltern zurück. Diese waren mit der geplanten Eheschließung durchaus einverstanden. Auch die Mitgift für die einzige Tochter war reichlich bemessen. Sollte ich, als ihr künftiger Ehemann zustimmen, keinerlei Erbansprüche nach dem Tod von Marthes Vater zu erheben, sollten mir genug Goldtaler für ein weiteres Stück Land ausgezahlt werden. So bliebe Marthes Bruder das jetzt vorhandene Land der Eltern erhalten.
Daneben sollte die Tochter die Aussteuer an Wäsche und Hausrat erhalten, die ihrer Herkunft angemessen und üblich war. Wenngleich mein Name den zukünftigen Schwiegereltern nicht unbekannt war, wünschten sie verständlicherweise, ich möge persönlich bei ihnen vorsprechen.
Eigentlich hätte ich nun der glücklichste Mensch der Welt sein müssen, wären da nicht die beunruhigenden Dinge in Mühlingen. Zwar war diese Statue durch ein angebliches Wunder wieder aufgetaucht und die Bewohner für den Moment zufrieden, aber so recht traute ich der Sache nicht.
So gut gemeint es von Enki auch sein mochte, Paul in seine Dienste zu nehmen, so unbedacht schien es mir auch. Sollte in Mühlingen auch nur der kleinste Gegenstand vermisst werden, würde man den ehemaligen Räuber dafür verantwortlich machen, einmal ein Dieb, immer ein Dieb.
Es musste eine Person in Mühlingen geben, die den Rest der Dorfbewohner aufwiegelte, die auch davon wusste, dass Enkis Verwalter in sündhafter Gemeinschaft mit einer Frau lebte. Für den Augenblick war Roswitha dem Scheiterhaufen zwar entkommen, aber wann würde der Pöbel sie wieder dorthin schleifen? Sicher hatte sie doch den Verwalter behext, in Unzucht mit ihr zu leben.
Auch um meine Muhme machte ich mir Sorgen. Finge es mit dem Hexenwahn in unsrer Gegend wieder an, war sie als Heilerin auch in Gefahr.
Enki musste herausfinden, wer in Mühlingen Unfrieden stiften will. Allzuschwer dürfte das nicht sein, da die Zahl der Einwohner noch recht überschaubar ist.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Mi 1. Mai 2013, 14:52

Einige Tage später erschien Enki auf meinem Hof. "So, die Beiden sind unterwegs zu ihrer Hochzeit" sagte er und wirkte sichtlich erleichtert, "ich hoffe nur, es kommt nicht noch nachträglich heraus, dass sie so lange in Sünde gelebt haben, sonst fängt der Ärger wieder an."
"Du hast doch diese Wunderstatue in Mühlingen" grinste ich, "die hat ihnen halt den Unzuchtsteufel ausgetrieben und sie auf den rechten Weg geführt." Enki lachte "stimmt, so wird es gewesen sein. Dein Haus steht ja auch schon, da wird wohl bald Hochzeit gefeiert."
"Gar so schnell noch nicht, in 2 Wochen ist unser Verlöbnis, dann dauert es noch ein paar Monate, bis die Trauerzeit für meinen Oheim herum ist. Wie macht sich denn der ehemalige Räuber, der Paul? Ich frage mich, wie er überhaupt unter dieses Gesindel geraten ist."
Enki kratzte sich den Kopf "hm, danach habe ich ihn noch nie gefragt, aber du hast recht, es wäre sicher nicht verkehrt, die Gründe zu erfahren. Dumm scheint er nicht zu sein, eckt aber bei den Dorfbewohnern oft mit seiner Art an."
"Höfische Sitten dürften bei den Banden wohl schwerlich üblich sein," meinte ich "da bleibt nur zu hoffen, dass er sich bald ändert, bevor es neuen Ärger gibt."
"Davor bewahre uns Gott," seufzte Enki "aber ich muss zurück. Seit diesem schrecklichen Ereignis wage ich es nicht mehr, Mühlingen allzu lange fern zu bleiben."
Mit einem Gruß drehte er sich um und eilte davon. Grübelnd sah ich ihm nach, offenbar hatte er noch nicht herausgefunden, wer für die Hetzerei verantwortlich war.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Mi 1. Mai 2013, 22:24

Völlig aufgelöst kam Enki am nächsten Tag auf den Hof gerannt. "Der Paul ist spurlos verschwunden und mein Müller will mit seiner Frau Mühlingen verlassen."
Ich war gerade dabei, den Schafstall auszumisten und ließ vor Schreck die Forke fallen. "Was ist denn nun wieder geschehen, wohin ist der Paul und was ist mit dem Müller? Ist der von allen guten Geistern verlassen? Soweit ich von Muhme Angela weiss, wird sein Weib in Kürze niederkommen und das womöglich mit Zwillingen. Die Muhme ist ohnehin in Sorge, da es Trudis erste Geburt sein wird und dann womöglich gleich zwei Kinder."
"Der Franz ist unzufrieden, da ihn der reisende Händler mit einem Almosen für sein Mehl abgespeist hat und nun will er fort, aus Angst, Weib und Kind nicht ernähren zu können." Enki wirkte völlig verzweifelt. "Ist der Müller erstmal fort, werden die anderen auch bald gehen."
Entgeistert sah ich Enki an "du willst mir doch nicht ernsthaft weismachen, dass dein Müller auf diesen Halsabschneider hereingefallen ist. Der treibt sich hier auch oft genug herum, kann allerdings seinen Stand nicht so schnell aufschlagen, wie ich ihn wieder davonjage. Aber das erklärt immer noch nicht, wohin Paul verschwunden ist. Haben die Mühlinger ihn malträtiert, dass er das Weite gesucht hat oder ist er gar zu seiner ehemaligen Bande zurückgekehrt? Sein früherer Hauptmann wird ihm kaum wohlgesonnen sein nach allem, was mit der Statue vorgefallen ist. Du kannst nur hoffen, ihn nicht an einem Baum aufgeknüpft vorzufinden."
Enki wurde blass. "Mein Gott, was soll ich denn jetzt nur tun? Ich weiss nichtmal, in welche Richtung Paul verschwunden ist. Auch wie ich den Franz aufhalten soll weiss ich nicht, hast du denn keinen Rat?"
"Nun, wohin der Paul ist, kann ich dir freilich auch nicht sagen. Zum Franz werde ich die Muhme schicken, die wird ihm wohl den Kopf zurechtsetzen und dafür Sorge tragen, dass er Mühlingen nicht vor der Niederkunft seines Weibes verlässt."
"Danke." Enki machte auf dem Absatz kehrt und verschwand ohne Gruß, was gemeinhin nicht seine Art war.
Ich suchte Muhme Angela auf, um ihr von der Torheit des Müllers in Mühlingen zu berichten. Kaum hatte ich geendet, war sie ebenso schnell und grußlos verschwunden wie Enki.
Einige Zeit später kam die Muhme völlig ausser Atem zurück. "Hol den Leiterwagen, pack ein paar Decken hinein und komm mit, aber spute dich," rief sie schon von weitem. Ich kam nicht dazu, sie zu fragen, was denn nun wieder los sei. "Steh nicht herum und halte Maulaffen feil, tu, was ich dir gesagt habe" herrschte sie mich an. Also packte ich ein paar Decken, warf sie in den Leiterwagen und rannte, so schnell es mit dem unhandlichen Gefährt möglich war, hinter ihr her.
Kurz vor Mühlingen hieß sie mich anhalten und führte mich in ein Gebüsch. Dort lag eine reglose Gestalt in einer Blutlache am Boden. "Hilf mir, ihn auf den Wagen zu legen, aber sei vorsichtig." Gemeinsam mit der Muhme hob ich den Mann auf und wir betteten ihn behutsam auf die Decken.
Zuhause angekommen trugen wir den Verletzten in das Haus der Muhme. "Das muss dieser Paul sein, von dem der Spielmann erzählt hat," sagte die Muhme "du gehst am besten nach Mühlingen und holst Enki, ich werde derweil seine Wunden versorgen. Schlimm genug sieht er aus, dennoch hoffe ich, ihn retten zu können. Bevor du nach Mühlingen gehst, schick mir die Marthe vorbei, damit sie mir hier hilft."
Bei Marthe bedurfte es nicht vieler Worte und so machte ich mich auf den Weg, Enki zu suchen.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Fr 3. Mai 2013, 01:47

Als ich mit Enki zurückkehrte saß Paul auf einer Bank vor dem Haus der Muhme, zwar noch sehr blass und mit einem dicken Verband um den Kopf, doch die Suppe schien ihm schon zu schmecken.
"Was ist geschehen?" Enki war noch ganz ausser Atem, da wir den Weg zurück gerannt waren.
Paul erzählte, dass er gerade von der Hasenjagd auf dem Heimweg war, als der Händler dem Müller das Mehl abgeschwatzt und erzählt hatte, in Mühlingen würden bald alle verhungern, wenn sie sich keine neue Bleibe suchten. Als Franz ausser Hörweite war, habe sich der Händler die Hände gerieben und gesagt, wenn er hier alle vertrieben hätte, würde er in den andern Dörfern so weiter machen, bis alle verschwunden wären. Dann könne niemand mehr seine Geschäfte stören.
Enki lief vor Zorn dunkelrot an. "Was geschah dann weiter?" wollte er wissen.
"Ich bin zu mei´m früheren Hauptmann in´n Wald gerannt un hab ihm erzählt, wo sie den Händler überfalln un sein Geld rauben tun könn. Für mich wollt ich nur das Mehl haben. So ham wir das auch gemacht. Dann hab ich von hinterwärts ein Schlag auf´n Kopf gekriegt und dann bin ich erst hier wieder wach geworden."
Bevor Enki noch etwas erwidern konnte, deutete Paul auf das halbfertige Gebäude vor uns. "Das soll ein Sägewerk werden, nich?" Verblüfft sah ich ihn an "Woher weisst du das denn?"
"Mein Vater, der war ein Zimmermann. Ich durfte ihm oft in der Werkstatt helfen" sagte Paul leise. "Aber eines Tags fielen Soldaten in unser Dorf ein, plünderten die Häuser und erschlugen alle in unserem Dorf. Mich hamsie wohl auch für tot gehalten. Ich weiss nich, wie lange ich dort gelegen bin, als der Hauptmann mit seiner Bande auftauchte. Zu holen gabs freilich nüscht mehr und zuerst sahs so aus, als wollten sie mich nu endgültig töten. Ich war damals fast nochn Kind, auf jeden Fall litt der Hauptmann es nich, dass man mir etwas antat und nahm mich mit. Es is nich recht, was er und seine Gesellen tun, wirklich nich! Aber... aber zu mir waren sie immer gut."
Ich sah Paul nachdenklich an. "Wenn du möchtest und Enki damit einverstanden ist, kannst du bleiben und im Sägewerk arbeiten, wenn es fertig ist."
Enki hatte nichts dagegen einzuwenden, hatte Paul in Mühlingen doch nur Handlangerdienste verrichten können. Er erhob sich. "Ich gehe jetzt zurück nach Mühlingen und werde sehen, dass dort wieder Ordnung und Friede einkehrt. Dir Paul wünsche ich ein gutes Gelingen hier und viel Glück."

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » So 5. Mai 2013, 17:27

Nachdem der Händler die Mühlinger nicht mehr aufhetzte, war endlich wieder Ruhe eingekehrt und ich konnte mich um mein eigenes Dorf kümmern. Da war vieles liegen geblieben, vor allem die Schafzucht lief nicht so, wie es nötig gewesen wäre. Die Lämmer waren fast die einzige Möglichkeit, an Goldtaler zu kommen, die ich für neue Landkäufe dringend benötigte.
Auch dünkte es mich an der Zeit, unserem Dorf endlich einen Namen zu geben. Dem Vorschlag des Müllers stimmten alle zu, so dass wir Landvogt Ottmar um die Erlaubnis baten, unsre Siedlung künftig Freidorf nennen zu dürfen. Nach seiner Zustimmung und Zahlung der erforderlichen Gebühr erhielt ich die entsprechende Urkunde und wurde gleichzeitig zum Schultheiß ernannt.
Paul hatte meine frühere Kammer bezogen und wurde von Muhme Angela versorgt, bis seine Kopfwunde verheilt war. Während dieser Zeit brachte sie ihm auch bei, dass er, wenn er wirklich auf Dauer bei uns leben wolle, Regeln einzuhalten habe. So gehöre es sich, "bitte" und "danke" zu sagen, vor allem aber beträte man nicht andrer Leute Häuser, ohne vorher anzuklopfen.
Er lernte schnell, vermutlich war die Erziehung, die er einstmals bei seinen Eltern hatte, nicht wirklich vergessen. Vor allem aber lag ihm daran, im Sägewerk zu arbeiten, wo er nach seiner Gesundung mit Eifer und Fleiss zu Werke ging. Auch half er, so es ihm seine Zeit erlaubte, überall, wo es nötig war, so dass er schnell in der Gemeinschaft aufgenommen wurde und überall gut angesehen war.
Gestern Abend sah ich Paul mit Kathrin am Feldrand sitzen. Beide waren so ins Gespräch vertieft, dass sie mich nicht bemerkten. Stören wollte ich sie nicht, so nahm ich einen anderen Weg nach Hause. Möglicherweise gab es bald noch eine Hochzeit zu feiern.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Di 7. Mai 2013, 01:56

"Sag mal, was ist denn eigentlich mit dem Paul los?" Irritiert sah Muhme Angela mich an. "Was soll denn mit ihm sein?" "Nun, kaum ist es Feierabend, verschwindet er, wohin auch immer. Ich dachte ja, mit ihm und der Kathrin würde es was Ernstes werden, aber die beiden sieht man eigentlich auch nicht mehr zusammen. Obwohl die Kathrin nicht so ausschaut, als habe sie großen Kummer. Vielleicht habe ich mir auch nur eingebildet, zwischen ihnen gäbe es mehr als nur Tändelei."
Muhme Angela schüttelte den Kopf "Paul ist ein erwachsener Mann. Was er nach seiner Arbeit tut, geht niemanden etwas an, solange es nicht ehrlos ist. Ebenso ist es seine und Kathrins Angelegenheit, ob sie ihren Weg künftig zusammen gehen wollen. Ich denke, du hast genug mit der Vorbereitung deiner Hochzeit zu tun, geh lieber zu der Großbäuerin im Nachbardorf und frag an, ob die Kapelle im nächsten Monat fertig wird. Ansonsten müssen wir den Landvogt bitten, zu gestatten, dass Marthe und du in seiner Hofkapelle getraut werden."

Gleichwohl die Muhme ja nicht unrecht hatte, Gedanken machte ich mir trotzdem. Es passte so garnicht zu Paul und ich hätte ihm ein Weib wie die Kathrin gewünscht. Aber wer kann schon in einen anderen Menschen hineinschauen. Das Schicksal hat es wohl nicht gewollt.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » So 12. Mai 2013, 00:51

Ich wollte mich gerade auf den Weg zur Großbäuerin machen, da hielt ein Fuhrmann an der Kutschstation. "Sechs Ochsen? Das muss eine schwere Ladung sein" meinte ich. "Wohin soll es denn gehen?"
"Nicht mehr weit, aber die Tiere brauchen Wasser. Marmor aus Italien hab ich geladen, sollen wohl für einen Altar bestimmt sein. Eure Nachbarin hat ihn bestellt. Muss ja mächtig Geld haben, dass sie sich sowas leisten kann."
Dann schien die Kapelle ja kurz vor der Vollendung zu stehen. Nun, schaden konnte es trotzdem nicht, Dame Soraya aufzusuchen. Seit ich wieder mehr Zeit für meine eigenen Geschäfte hatte, lief die Schafzucht recht gut und ich überlegte, eine Weberei zu bauen. Vielleicht kannte sie ja eine geeignete Frau, die dort arbeiten wollte. Weitreichende Kontakte scheint sie ja zu haben, wenngleich niemand so genau wusste, woher sie eigentlich stammte und ihr merkwürdiger Name gar manche Rätsel aufgab. Ich hatte sie immer als freundlich und hilfsbereit erlebt und wenn sie ihr Gut in einen Schlosshof verwandeln wollte, war das ihre eigene Angelegenheit. Es wurde zwar gemunkelt, es ginge dort nicht immer alles mit rechten Dingen zu, aber der Neider gibt es viele und der Abergläubigen noch mehr.
Soweit schien alles gut zu laufen, nur der Paul war immer noch verschwunden, kaum dass die Säge still stand. Er würde doch nicht wieder unter die Räuber gegangen sein?

Antworten