Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Fr 13. Mär 2015, 01:01

In der letzten Maienwoche hörte der Regen endlich auf. Doch es würde Tage dauern, bis die Felder wieder einigermaßen trocken wären und man einen Überblick hatte, was von der künftigen Ernte noch zu retten war. Doch schon jetzt stand fest, dass ohne Hilfe von ausserhalb weder Mensch noch Vieh über den Winter kommen würden.
Zwei Wochen später erschienen die Arbeiter wieder, um die Gebäude fertigzustellen, gleichzeitig auch etliche Ochsenkarren mit Nahrungsmitteln und Baumaterial. Herr von Thomann versicherte mir, dass der König für alles Nötige sorgen würde, damit im Augustus endlich der Handel im Hafen beginnen könne.
Das war ja alles gut und schön, aber was war mit den Wintermonaten? Mochten bis dahin auch die Bauarbeiter fort sein, gab es dennoch genug Mäuler zu stopfen und ein großes Fest zur Einweihung setzte Seine Hohheit auch voraus.
"Was machst du dir um die Feierlichkeiten Gedanken?" Paul schüttelte den Kopf. "Wenn er ein Fest haben möchte, dann soll der König auch für das Nötige sorgen. Sein Hafen ist es, nicht unsrer. Wir sollten uns lieber überlegen, wie wir die Freidorfer durch den Winter bringen. Wir müssen uns umhören, wo Korn und andere Lebensmittel erworben werden können und zu welchem Preis und von dem Vieh alles verkaufen, was nicht zwingend benötigt wird, um dieses nicht auch noch durchfüttern zu müssen."
"Den Fischen hat der Regen nicht geschadet," warf Hinnerk ein, "ganz im Gegenteil. Ich bin auch bereit, sie dsen Freidorfern zu einem billigen Preis zu überlassen. Wenn wir Alle zusammenhalten und den Gürtel etwas enger schnallen, überstehen wir auch den Winter. Schlechte Ernten hat es immer schon einmal gegeben, man darf nur nicht den Mut verlieren."
Die Männer mochten ja recht haben, trotzdem sah ich sorgenvoll den nächsten Monden entgegen.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » So 23. Aug 2015, 02:03

Marthe saß mit einer der Mägde amFenster und besserte die Wäsche aus. Rouven und ich sahen die Bücher durch. "Es ist einfach hoffnungslos, keiner will das Vieh kaufen da er es nicht los wird. Um es durchzufüttern fehlt es an Heu und Hafer und Schlachttiere kann sich keiner leisten." Verzweifelt sah mein Sohn mich an. "Über den Winter bekommen wir nicht alles Vieh, also können wir es nur schlachten und leben wie die Fürsten. Jeden Tag Fleisch auf dem Tisch. Brot dazu wird es allerdings bald keines mehr geben."
Er hatte nur leider den Nagel auf den Kopf getroffen. Verhungern würden wir vorerst nicht, aber wenn das Fleisch verzehrt wäre bliebe nichts mehr. Kein Brot, keine Milch, kein Käse. Dass die Taler auch knapp würden spielte dabei schon fast keine Rolle mehr.
Es klopfte an der Stubentür und ein Knecht stürzte herein. "Fuhrwerke kommen, viele, aus München," stieß er atemlos hervor "und der Hans von Bamberg will Euch sprechen."
Fuhrwerke aus München? "Ich kümmere mich drum" sagte Ruben und erhob sich. Im selben Moment betrat der Bamberger die Stube. Bei seinem Anblick erschrak ich, bleich war er und abgemagert. Ich bedeutete Marthe, die Magd hinauszuschicken, hier schien etwas vorgefallen zu sein, was nicht dem Gesinde zu Ohren kommen musste.
Mit einer knappen Handbewegung wies der Bastard Sitz und Erfrischung ab und lief rastlos in der Stube hin und her.
"Mein Vater, der König, hat veranlasst, Nahrungsmittel nach Freidorf zu senden, auch verpflichtet er sich, für die Arbeiter am Fluss aufzukommen und das nötige Material zu liefern, bis Freidorf wieder in der Lage ist, selbst genug anzubauen. " Das waren zwar gute Nachrichten erklärten aber den sichtlich aufgelösten Zustand des Bambergers nicht.
"Hoheit, wollt Ihr Euch nicht setzen und eine Erfrischung zu Euch nehmen?" Marthe wirkte seltsam schüchtern. "Ihr seht erschöpft aus."
"Wie geht es Dame Soraya, Eurer Gemahlin?" fragte ich.
Entsetzt sahen Marthe und ich wie der Bamberger in Tränen ausbrach. "Sie starb gestern im Kindbett," schluchzte er "nach der Geburt unsrer Tochter. Eigentlich bin ich hier, um Euch das mitzuteilen."
"Und das Kind?" Marthe wagte nur zu flüstern.
"Die Amme meint, es sei kräftig und gesund, es wird wohl überleben," erwiderte Hans von Bamberg, "Soraya wird es heissen nach seiner Mutter, aber ersetzen wird sie mir die geliebte Frau nicht können."
"Ersetzen sicher nicht, aber sie wird ein Unterpfand Eurer Liebe zu ihr sein und Euch immer an sie erinnern." Unbemerkt hatte meine jüngste Tochter die Stube betreten. "Aber nun setzt Euch, esst und trinkt etwas. Das Kind wird Euch brauchen und Eurem Weib wäre es sicher nicht recht, wenn Ihr im Gram über ihren Tod Euch selbst zugrunde richtet. Soll Euer Kind denn auch ohne Vater aufwachsen müssen?"
"Entschuldigt das vorlaute Benehmen meiner Tochter." Marthe war vor Verlegenheit rot geworden.
"Vorlaut?" Hans von Bamberg schüttelte den Kopf, "nein, vorlaut sicher nicht. Sie hat ja recht, das Kind kann nichts für den Tod seiner Mutter und es hat jetzt nur noch mich. Es mag sein, dass Euer Erscheinen zur Hochzeit unpassend erschien auch wenn mich und mein verstorbenes Weib es nicht gestört hätte. Solltet ihr sie auf ihrem letzten Weg begleiten wollen, die Beisetzung findet in 3 Tagen auf ihrem Gut statt. Dort hat sie sich wohlgefühlt mit ihren Nachbarn und diese sollen sie auf ihrem letzten Weg begleiten wenn sie es möchten. Es wäre ihr Wunsch gewesen und wenn es der vornehmen Gesellschaft nicht passt, nun, sollen sie bleiben wo der Pfeffer wächst. Nicht die hohe Geburt macht den Menschen aus sondern sein Charakter. Diesen Wahlspruch meiner verstorbeben Gattin werde ich in meinem Herzen bewahren. Ich selbst werde mich mit meiner Tochter, ihrer Amme und den Bediensteten auf dem Gut niederlassen. Das Kind soll in der freien Natur aufwachsen können, unter Menschen, die ihr Herz auf dem rechten Fleck haben und nicht nach Würden und Ämtern schielen. Der Hof ist nicht der rechte Platz für ein Kind, die Schranzen würden es verderben."

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Mi 2. Sep 2015, 02:04

Der Bamberger verließ das Haus ohne weiteres Wort, ja fast schon unhöflich.
"Ich werde nach Mühlingen fahren, ob Enki nun dort ist oder nicht, die Bewohner verdanken Soraya soviel und wären verstimmt, würde man ihnen deren Ableben nicht mitteilen. Es werden wohl einige ihr auf dem letzten Weg die Ehre erweisen wollen und für Ottmar und Roswitha wird sich ein Platz in einer Kutsche finden lassen. Notfalls hole ich sie selbst ab."
"Soll nicht lieber einer der Knechte fahren? Du bist so aufgewühlt." Marthe sah mich besorgt an.
Ich wehrte ab. "Nein, einen Knecht zu schicken wäre nicht passend und mir wird es gut tun auf der Fahrt dorthin meinen Gedanken freien Lauf lassen zu können. Es gilt ja auch, die passenden Worte zu finden, da kann ich keinen Bediensteten schicken. Vielleicht mag Ambrosius mich begleiten, er, nun ja, er kann es den Menschen dort vielleicht besser beibringen als ich."
Ich nahm mein Weib in den Arm "mein Gott, ich kann es selbst noch nicht begreifen, Soraya, tot, wie soll ich das nur den Mühlingern sagen, ihnen und all denen, die sie hier gekannt haben? Sie war jung, voller Leben, hat überall geholfen und nun ist sie auf einmal weg?"
Marthe schüttelte den Kopf. "Sie ist nicht weg solange wir sie in unsern Herzen behalten, ihr Andenken wahren. In ihrer Tochter lebt sie weiter. Sie ist so wenig weg wie unsre Tochter Angela. Wir werden Soraya einen würdigen Abschied bereiten und Hans von Bamberg alle Hilfe geben, die er für die Erziehung seines Kindes vielleicht benötigt. Das Gut ist nicht weit weg, hier gibt es Kinder genug, mag sie mit ihnen aufwachsen."
"Eine Prinzessin mit Dorfkindern? Wie stellst du dir das vor?" Marthe lachte. "Auch eine kleine Prinzessin ist ein Kind, welches mit Kindern spielen will. Soraya wird sich im Himmel drüber freuen und der Bamberger vermutlich genauso. Er mag ja der Sohn eines Königs sein aber im Herzen ist er eher einer von uns und das ist gut so. Er hat wohl verstanden, dass ein König ohne Volk nichts ist, ein Volk aber ohne König durchaus leben kann."
Ein Volk ohne König? Ohne Herrscher? Seltsame Vorstellung, aber vielleicht hatte Marthe nicht unrecht. Jetzt war allerdings nicht die Zeit, mich mit diesen Gedanken weiter zu befassen.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Mi 2. Sep 2015, 03:08

"Du meinst also, ich könne den Mühlingern besser erklären, warum eine junge Frau sterben musste?" Ambrosius sah mich kopfschüttelnd an. "Soll ich ihnen etwas von Gottes unerforschlichem Ratschluss erklären? Ich glaube nicht daran, dass es Sein Wille ist, Neugeborenen die Mutter zu nehmen. Da müssen andere Ursachen eine Rolle spielen. Wir kennen sie nicht, aber ich denke, irgendwann wird man die Gründe dafür benennen und vermeiden können. Nun sieh mich nicht so entsetzt an. Ich glaube durchaus an die Vorsehung, aber nicht Alles kann man dem Herrgott so einfach in die Schuhe schieben. Was war denn damals mit Roswitha, die als Hexe verbrannt werden sollte? War das etwa Gottes Willen oder die Verblendung irregeleiteter Menschen? Aber ich fahre mit dir, nicht der Mühlinger wegen, um deinetwillen. Ich denke, du brauchst jemanden, mit dem du ohne Hemmungen reden kannst."
Du lieber Himmel, ich konnte nur hoffen, dass Ambrosius seine Meinung ansonsten für sich behielt. In den Ohren der Kirche klangen sie doch sehr nach Ketzerei. Mir selbst erschien sie durchaus vernünftig, hatte ich doch die "Hexenjagd" damals selbst niterlebt.
Sorayas Gut fasste kaum die vielen Menschen, die sie auf ihrem letzten Weg begleiten wollten. Aus Mühlingen erschienen nicht nur die, denen sie damals nach dem Brand geholfen hatte, selbst spätere Bewohner wollten ihr die letzte Ehre erweisen. Halb verborgen hinter Bäumen und Büschen vermeinte ich den Grauling zu erkennen, ein knappes Nicken von Ambrosius bestätigte meine Vermutung.
Vom Bamberger Hof war niemand anwesend, was nicht weiter verwunderlich war, da Hans von Bamberg uns erklärt hatte, dass er bei seinem Vater in Ungnade gefallen war, da er sich weigerte, sein Kind bei Hofe großziehen zu lassen. Auch Enki konnte ich nirgends entdecken, den aber niemand mehr gesehen hatte seit er sich vor Monaten auf Handelsreisen begab. Nur Gott mochte wissen, wo er nun lebte und vielleicht seine Freiheit von den ihm aufgezwungenen Verpflichtungen genoss. Soraya jedenfalls würde ihn verstehen waren doch ihr selbst alle Zwänge verhasst.
Ich schämte mich meiner Tränen nicht als ich eine weisse Rose auf ihr Grab legte. "Leb wohl, wir werden uns wiedersehen, irgendwann in einer anderen, besseren Welt."

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Do 3. Sep 2015, 00:13

Dank der Zuwendungen des Königs und der Spenden meines Schwiegersohnes hatten wir den Winter glimpflich überstanden. Die Felder waren bestellt, die Arbeiten am Fluss kurz vor der Vollendung. Bald würde das erste Schiff anlegen um Handelswaren zu laden.
Aus Köln war ein Hafenmeister eingetrroffen, Johannes, der sich zunächst auch recht gut anließ und meiner Jüngsten, Maria, den Hof machte. Gefallen wollte mir das nicht so recht. Wie kam ein Hafenmeister aus der angesehenen Stadt am Rhein nach Freidorf?
Es dauerte nicht lange bis die Beschwerden über den jungen Mann zunahmen. Fehler wälzte er auf andere ab und die jungen Burschen, die eigentlich bei ihm lernen sollten, wie Schiffe zu beladen sind, mussten sich damit begnügen, die Handelswaren beizuschaffen. So verweigerte einer nach dem anderen seinen Dienst und nachdem mangels Handelsgüter keine Schiffe mehr auslaufen konnten, beschloss der König, Johannes zu ersetzen. Kurze Zeit später übernahm Ulrich das Amt des Hafenmeisters. Er forderte zwar, aber er war gerecht gegenüber seinen Untergebenen und sorgte für ihre Ausbildung. Es dauerte nicht lange, bis ein regelmäßiger lukrativer Warenhandel entstand von dem auch Freidorf profitierte, da ein Teil des Erlöses an das Dorf abgeführt wurde.
Maria indessen kümmerte sich mehr und mehr um die kleine Soraya. Oft war sie auf dem Gut deren verstorbener Mutter und garzu oft sprach sie von dem Bamberger.
"Sie ist verliebt," meinte Marthe, "das ist doch ganz offensichtlich." "Sie ist was? Verliebt in Hans von Bamberg? Weib, sie ist die Tochter eines ehemaligen Leibeigenen, er der Sohn eines Königs, ob ehelich oder nicht, er ist ein Prinz. Soll sie etwa seine Gespielin werden und ebenfalls einen Bastard gebähren?"
Marthe sah mich entgeistert an. "Denkst du so von deiner Tochter? Sie mag verliebt sein, ja, das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie das Lager mit einem Mann teilt, dem sie nicht angetraut wurde."
"Sie ist im mannbaren Alter, vielleicht sollte ich schauen, einen Gatten für sie zu finden."
"Einen Gatten für sie finden, also sie womöglich gegen ihren Willen verheiraten. Ist es das, was du dir vorstellst?" Ich hatte mein Weib selten so zornig erlebt. "Hätte es dir gefallen, wenn man dir ein Weib aufgezwungen hätte, das weder dir noch du ihm Zuneigung entgegengebracht hätte? Es mag durchaus der Brauch sein, aber gut geht das auf Dauer nicht. Der Mann wird sich über kurz oder lang eine Gespielin suchen und das Weib daheim umso mehr keifern. Und überhaupt, was heisst Tochter eines ehemaligen Leibeigenen? Ist sie deshalb weniger wert als andere Menschen? Haben Soraya oder Hans von Bamberg dich jemals deine Herkunft spüren lassen? Die Skrupel, die du in deinem Herzen hegst, waren ihnen fremd."

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Do 3. Sep 2015, 01:11

"Entschuldigung, ich wollte nicht stören," verlegen stand Paul in der Tür, "wir sollten wohl über den Bau eines Gemeindehauses nachdenken, wo wir uns versammeln können, ohne ungewollt Zeugen privater Dinge zu werden."
"Allerdings," gab Marthe kurz zur Antwort und verschwand aus dem Zimmer.
Paul sah ihr erstaunt nach, es war eigentlich nicht Marthes Art, Gäste ohne Gruß einfach zu ignorieren.
"Da komme ich wohl gerade sehr unpassend. Tut mir leid, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass bei euch gerade der Haussegen schief hängt. Was ist denn los?"
"Ach es geht eigentlich um Maria, ständig ist sie drüben auf Sorayas Gut, kümmert sich um das Kind und jedes zweite Wort ist Hans von Bamberg. Mein Weib meint, sie habe sich in ihn verliebt, wohin soll das denn führen?"
"Sie hat sich in ihn verliebt, schön, und was ist mit dem Bamberger? Erwidert er ihre Gefühle? Ich denke, du hast dich da in etwas verrannt, was jedweder Grundlage entbehrt. Ich bin mir sehr sicher, sollte der Bastard in Bezug auf Maria irgendwelche Absichten hegen, wird er bei dir vorsprechen. Ich habe bislang keinen Grund, ihn nicht als Ehrenmann zu sehen. Eigentlich bin ich ja gekommen, um mit dir über den Bau eines Hauses zu reden, in dem wir uns versammeln können. Ein Rathaus ist uns verboten, solange wir keine Stadtrechte innehaben, gegen ein Gemeindehaus werden aber weder Landvogt noch König Einwände haben."

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Fr 2. Okt 2015, 23:32

"Man weiss doch zur genüge wie diese vornehmen Herren sind. Sie nehmen sich die nächstbeste Jungfer, vergnügen sich mit ihr und kümmern sich einen Dreck um die Folgen. Da wird der Bamberger keine Ausnahme sein. Sind doch alle gleich, diese Herrschaften." Ich war mit meinen Gedanken immer noch bei Maria und dieser unwillkommenen Liebelei.
"So, sind sie das, alle gleich? Du kennst sie alle und kannst darüber urteilen?" Unbemerkt hatte Ambrosius das Zimmer betreten. Selten hatte er so scharf, ja fast zornig geklungen.
"Na, wie ist es denn mit Enki, dem Bamberger, alles Bastarde und mein ehemaliger Fronherr hat davon auch etliche", warf ich ein. "Aha, drei sind bei dir also alle. Und alle Jungfern sind verdorben, alle, einschließlich deiner Töchter?" Ambrosius schlug so heftig mit der Faust auf den Tisch dass die Becher zu wackeln begannen. "Du tust besser daran nicht über andere zu urteilen und mit deinem Weib solltest du auch reden und Abbitte leisten. Komm" er wandte sich zu Paul, "lassen wir diesen Hitzkopf allein bis er zu Verstand gekommen ist. Vorher ist mit ihm doch nicht zu reden."
Grußlos verließen beide das Haus.

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Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Di 6. Okt 2015, 02:35

"Du liebe Zeit, was ist denn hier los." Kopfschütteld stand Ruben in der Tür.
"Was soll schon los sein? Wie kommst du überhaupt darauf? Hast hinter der Tür gestanden und gelauscht?" fuhr ich meinen Sohn an.
"Na, lauschen war wohl nicht nötig, durch das offene Fenster hat man euch über den ganzen Hof gehört."
Das hatte gerade noch gefehlt, nun zerissen sich also die Dienstboten auch noch das Maul, weiss Gott, in welches Gerede nun meine Tochter käme.
"Maria wird den Hof nicht mehr verlassen und der Bamberger mag sich hüten, noch einen Fuß hierher zu setzen. Da kann Ambrosius reden was er mag, was weiss er denn von solch weltlichen Dingen? Er hat weder Weib noch Kind, da lässt es sich leicht daherreden."
"Nun, er dürfte im Beichstuhl wohl mehr hören als im lieb sein mag," wandte mein Sohn ein. "Ich vermute, die Geistlichen wissen mitunter mehr als wir wenn es um die Schwächen der Menschen geht. Mutter und du, ihr habt uns erzogen die weltlichen und göttlichen Gesetze zu achten und zu befolgen. Keines meiner Geschwister hat euch je Schande bereitet, warum zweifelst du nun an Maria?"
Offenbar schien niemand meine Bedenken zu verstehen oder zu teilen, hatten sie alle recht und ich sah Gespenster wo es keine gab? Ich musste mit Marthe reden, der Unfriede zwischen uns durfte nicht auf Dauer sein.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Mi 7. Okt 2015, 02:15

Ich fand Marthe in der Schlafkammer gemeinsam mit Maria.
"Vater, ich mag die kleine Soraya, ich mag auch ihren Vater. Ob es Liebe ist? Ich weiss es nicht, in diesen Dingen habe ich keine Erfahrung. Würdet ihr mich ihm zur Frau geben wollen, wäre es mir recht. Aber niemals hat Hans von Bamberg in dieser Richtung eine Andeutung gemacht, mich auch nie zu irgendwelchen Dingen gedrängt. Ich denke, er freut sich, dass seine Tochter Gesellschaft hat, ansonsten bin ich für ihn wohl eher unwichtig. Was sollte er auch von mir begehren? Er ist ein Prinz, ich eine Tochter einfacher Leute. Ich weiss wohl, dass hohe Herren ihre Vergnügungen auch im einfachen Volk suchen, bei mir hat er es nicht versucht. Wenn es trotzdem der Willen von dir und Mutter ist, werde ich dem Gut fernbleiben. Anlass für übles Gerede oder Unstimmigkeiten zwischen Mutter und dir will und kann ich nicht sein. Vielleicht kann ja eine der Mägde die Kleine ab und an nach Freidorf bringen, auf dem Gut ist das Kind doch sehr einsam."
"Maria, ich glaube du lässt mich besser mit deinem Vater allein." Marthe nahm ihre Tochter in den Arm und drängte sie sanft zur Tür hinaus.
"Ich, äh, ich meine," irgendwie wollten mir die rechten Worte nicht einfallen. "Ja, was meinst du?" Himmel, Marthe wusste doch genau was ich sagen wollte, musste sie mich dermaßen auf die Folter spannen?
"Naja, ich glaube, ich hab mich da so ein wenig in etwas hineingesteigert, aber trotzdem, man kennt diese Herren doch zur Genüge."
"Hineingesteigert, aha, aber begriffen hast du offenbar immer noch nicht. Was soll das Gerede von "diesen Herren"? Es gibt Schufte bei den Adligen, es gibt sie bei dem kleinsten Tagelöhnern. Es gibt schwarz und es gibt weiss und sonst nichts? Du hast in deiner Kindheit und Jugend mehr Unheil gesehen und erlebt als ich, die Erlebnisse haben dich geprägt und trotzdem, die Zeit ist vorbei. In unserm Dorf herrschen Recht und Ordnung, beides hast zum großen Teil du zu verantworten ebenso die Erziehung unsrer Kinder zu rechtschaffenen Menschen. Und was den Bamberger anbelangt, hätte er den Ruf eines gewissenlosen Schürzenjägers, Soraya wäre niemals sein Weib geworden und er nicht willkommener Gast in unserm Haus. Dem Vogt sind wir Rechenschaft schuldig, nicht dem Hans von Bamberg. Er mag zwar der Sohn des Königs sein, zu befehlen hat er dir nichts. Was Maria und ihn anbelangt, es ist nichts Unrechtes zwischen ihnen geschehn und wird es auch nicht."

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