Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Fr 10. Okt 2014, 23:11

Paul zeigte mir, wie ich die Weidenruten in Wasser einweichen müsse, um sie biegsam zu bekommen. Nach etlichen missglückten Versuchen war endlich der erste Schneeschuh fertig. Die nächsten gingen mir schon leichter von der Hand.

Weihnachten kam und es war ein merkwürdiges Gefühl, das Fest ohne Annalena zu begehen. Da es bislang nur wenig geschneit hatte, beschlossen Marthe und ich, nach dem Jahreswechsel die Kinder in München zu besuchen. Walter und Ruben würden sich um Haus und Hof kümmern sowie die kleineren Geschwister versorgen. Auch Agnes bot sich an, hin und wieder nach dem Rechten zu sehen.

Die Reise mit der Postkutsche dauerte zwei Tage. Zum Glück hatte der Gasthof, in dem wir übernachteten, reinliche Betten. Dies sei nicht immer so, oft genug möge man sich vor lauter Wanzen nicht zur Ruhe begeben, hatte uns eine Mitreisende erklärt.

Annalena und Alexander warteten schon an der Kutschstation, um uns in Empfang zu nehmen. Nachdem Marthe sie umarmt hatte, sah sie die junge Frau prüfend an. "Du bist gesegneten Leibes, nicht wahr?" Annalena errötete leicht und nickte. Ich musterte meine Tochter von oben bis unten, "aber man sieht doch garnichts." Mein Weib lachte nur, "eine Mutter spürt das und sie sieht es auch, nicht am Leib, aber im Gesicht." Ich konnte zwar auch dort nichts besonderes entdecken, beschloss aber zu schweigen. Ansonsten wäre mir ohnehin nur bedeutet worden, dass Männer von derartigen Dingen nichts verstünden.

Wir verlebten einige schöne Tage in München, sahen auch manches von der Stadt, doch uns schien sie zu laut und zu groß, wenngleich es auch einige interessante Bauten zu besichtigen gab.

Am Tag nach Epiphanias begaben wir uns auf die Heimreise. Gerade zum rechten Zeitpunkt. Zwei Tage später begann es heftig zu schneien und ein Schneesturm setzte vorerst jedem Fortkommen auf den Straßen ein Ende.

Nachdem die Schneeschmelze vorbei und der Boden trocken genug zum Pflügen war, erzählte Ruben eines Abends, dass Zimmerleute am Ufer des Wasserlaufes einfache Holzhütten errichteten. Diese seien für die Arbeiter, die den Kanal von Mühlingen bis zum Wasserfall bauen sollten. "Wozu brauchen wir denn hier einen Kanal?" kopfschüttelnd sah ich Ruben an. Der zuckte die Schultern, "das konnten mir die Zimmerleute auch nicht sagen." Merkwürdige Geschichte, aber es war das Land des Königs und wenn dieser dort ein Meer anlegen wollte, konnte ich ihn auch nicht daran hindern.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Sa 11. Okt 2014, 01:53

Einige Wochen später zogen Männer in die Hütten. Die Arbeiter legten zunächst weit oberhalb Freidorfs einen Damm aus Steinen an und begannen anschließend vor diesem das Bachbett auszuheben.
Was würde geschehen, wenn es stark zu regnen begänne, das Bachbett hinter dem Damm über die Ufer träte? Beunruhigt suchte ich den Meister auf.
"Da macht Euch keine Gedanken, hinter dem Damm ist Brachland, da hat das Wasser genügend Raum, sich auszubreiten. Eurem Dorf wird nichts geschehen," beruhigte mich dieser, "aber wir müssen den Zufluss absperren, sonst können wir nicht tief genug graben, ohne zu ertrinken."
Nicht tief genug, ohne zu ertrinken? Du liebe Güte, wie tief sollte dieser Kanal denn werden und zu welchem Behufe?
Doch die Arbeiter wussten auch nichts Genaueres, schiffbar sollte er sein und ein reicher Handelsherr aus Bamberg wolle anschließend hier ein Kontor errichten.
Nun musste ich mir zumindest um Freidorf keine Sorgen mehr machen, aber rätselhaft blieb die Angelegenheit dennoch.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » So 12. Okt 2014, 22:21

Christian hatte seine Lehre bei Paul beendet und war nun als Geselle auf Wanderschaft.
Im Ernting erreichte uns die Nachricht, dass Annalena einem gesunden Knaben das Leben geschenkt hatte, Alexander Nikolaus sei sein Name und ihm und der Mutter ginge es gut.
Ruben, dem nicht entgangen war, dass seine Mutter bedrückt schien, drängte uns, nach München zu reisen. Ich gab ihm zu Bedenken, dass wir inmitten der Erntezeit seien. "Wir haben Knechte und Mägde genug, da sollte es wohl zu schaffen sein, die Feldfrüchte einzubringen. Ein Enkelkind bekommt man nicht jeden Tag geschenkt. Annalena wird sich freuen, ihre Eltern zu sehen und Mutter sehnt sich nach dem Kleinen und ihrer Tochter. Du vermutlich nicht weniger, auch wenn du es dir nicht anmerken lassen willst. Ich habe einen Knecht geschickt, der fragen soll, wann die nächste Kutsche nach München hier anhält."
Meine Einwände, dass Marthe die Aufsicht über die Mägde hätte, tat er mit einer Handbewegung ab. "Die Großmagd wird ihnen schon Beine machen."
Er sagte es nicht, aber mir wurde schmerzlich bewusst, dass sowohl Marthe als auch ich nicht mehr vonnöten waren, den Betrieb in Haus und Hof sicherzustellen. Aber so war nunmal der Lauf der Welt, irgendwann mussten die Alten den Jungen Platz machen und eigentlich konnte ich froh sein, in meinem Sohn einen tüchtigen und fähigen Nachfolger zu haben.
Zwei Tage später begaben wir uns erneut auf die Reise nach München.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Mo 13. Okt 2014, 23:07

An der Kutschstation erwartete uns schon Alexander. Er fuhr uns in das neue Heim der kleinen Familie, welches etwas ausserhalb der Stadt am Isarufer lag. Schön war es hier, auf der einen Seite der Fluss auf der anderen hatte man einen Ausblick auf weite Wiesen. Kaum vorstellbar, dass sich einige Meilen weiter die geschäftige Stadt befand.
Annalena empfing uns in dem schön angelegten Garten, das Kind in den Armen, nun, zumindest so lange, bis Marthe es ihr vorsichtig abnahm. Mehr als ein Blick auf den Kleinen war mir zunächst nicht vergönnt.
Mein Schwiegersohn lächelte, "komm Vater, ich zeige dir das Haus und dann nehmen wir einen Willkommenstrunk, die Frauen brauchen wohl erstmal Zeit für sich."
Nach zwei Wochen, die viel zu schnell vergingen, war es Zeit für die Heimreise. Nicht nur Marthe fiel der Abschied schwer, aber obgleich wir nicht mehr in dem Maße wie früher in Freidorf gebraucht wurden, ganz ohne uns ging es eben doch nicht. Auch wollte ich Paul, der in meiner Abwesenheit die Aufgaben des Schultheissen übernahm, nicht unnötig lang diese zusätzliche Arbeit aufbürden.
Wir kehrten gerade rechtzeitig zurück. Ein Herr von Thomann habe schon nach mir gefragt, er wolle schnellstmöglich bei mir vorsprechen, berichtete mir Ruben, es ginge wohl um das Bauvorhaben. "Warum hast du ihn nicht an Paul verwiesen?" fragte ich. "Versucht habe ich es ja," erwiderte mein Sohn, "doch der Herr meinte, diese Angelegenheit könne er nur mit dir besprechen. Ich werde ihm durch einen Knecht mitteilen lassen, dass er dich morgen aufsuchen kann."

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Mi 15. Okt 2014, 23:10

Von Thomann erschien am späten Vormittag. Ich bat ihn in mein Arbeitszimmer und, nachem eine Magd ein zweites Frühmahl serviert hatte, bat ich ihn, Platz zu nehmen und sich zu bedienen. Er war wesentlich jünger, als ich vermutet hatte.
"Ihr seid vermutlich der Kaufmann, der hier ein Kontor errichten möchte, allerdings frage ich mich, warum Ihr gerade Freidorf dazu gewählt habt. Wir liegen doch recht weit von der Stadt entfernt und ausser einigen Postkutschen und Fuhrwerken, die alle paar Tage an der Kutschstation Halt machen, haben wir nicht viel zu bieten."
"Ich handle nicht auf eigene Rechnung sondern im Auftrag des Königs." erwiderte mein Gast, "Dieser wünscht hier einen Hafen anzulegen nebst Schiffswerft, Waffenschmiede und einer Taverne für die Matrosen."
"Eine Taverne, für die Matrosen," entsetzt sah ich ihn an. "wir hatten in der Vergangenheit schon Ärgernis genug mit den Kanalarbeitern. Auf die Felder dort kann ich keine Magd mehr schicken, ohne fürchten zu müssen, dass diese unsittlich belästigt wird. Wie soll das denn dann werden, wenn hier auch noch Seeleute, die wochenlang kein Weib gesehen haben, das Dorf unsicher machen."
"Habt Ihr denn keine Hübschlerinnen im Dorf?" erstaunt sah mich von Thomann an.
"Ein Hurenhaus in Freidorf? Gott bewahre, ein solches brauchten wir bislang nicht und ich bezweifle, dass die Einwohner ein derartiges in Zukunft wollen. Ohnehin verstehe ich nicht, warum der König nicht in Mühlingen einen Hafen anlegen lässt. Der Kanal dort ist ausgebaut und näher am Main liegt es auch. Es würde doch etliches an Kosten einsparen."
"Das ist richtig, allerdings gehört das Land dort denen von Bachental und da Enno-Kilian selten in seinem Dorf anzutreffen ist, gestalten sich Verhandlungen schwierig. Also hat der König beschlossen, vor Freidorf auf seinem eigenen Land zu bauen. Was die Matrosen anbelangt, diese müssen ja Euer Dorf nicht betreten, da ihre Taverne am Kanal gebaut wird. Das Vorhaben käme Eurem Dorf doch nur zugute. Das notwendige Material für die Gewerke auf dem Kanal herbeizuschaffen, wäre viel teurer, als wenn wir es aus Freidorf beziehen. Ich habe mich gestern hier umgeschaut, Ihr habt doch alles, was notwendig ist, wenngleich ein zweites Sägewerk nötig wäre."
"Darüber müsst Ihr mit Paul sprechen, Sägewerk und Zimmerei sind in seinem Besitz, ich kann ihn aber gerne rufen lassen."
"Florian hat zum Jahresende seine Wanderjahre hinter sich, könnte dann seinen Meister machen, ein Sägewerk ist allerdings nicht gerade billig. Andrerseits hätte mein Sohn Benjamin dann die Gelegenheit, meine eigene Werkstatt später zu übernehmen." Paul schien der Idee nicht abgeneigt zu sein.
"Wenn die Kosten das einzige Problem sind," meinte von Thomann, "so gibt es mit Sicherheit einen Weg, dafür Unterstützung zu bekommen. Ich werde mich nun wieder auf den Weg nach Bamberg begeben. Schickt mir einen Boten, wenn Ihr Euch entschieden habt."

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Di 21. Okt 2014, 00:12

"Wenn wir eine Entscheidung getroffen haben," kopfschüttelnd sah ich Paul an, "welche Wahl haben wir denn? Der Hafen wird gebaut, ob es uns gefällt oder nicht."
"Das ist richtig, doch es liegt an uns, ob wir es einfach dulden weil wir müssen oder versuchen, einen Vorteil daraus zu ziehen. Wirtschaftlich bringt es uns voran, es wird ja nicht nur Holz benötigt. Die Segelmacher benötigen Tuch, Lebensmittel werden gebraucht. Verweigern wir uns, dürfte der König schlecht auf Freidorf zu sprechen sein. Du träumst seit Jahren davon, Stadtrechte zu bekommen. Vielleicht ist das der letzte Schritt dazu und eine Stadtmauer würde uns auch vor betrunkenen Matrosen und anderem Gesindel schützen."

Ich musste ihm Recht geben. Stur, wie ich mitunter sein konnte, hatte ich nicht in Betracht gezogen, dass das Dorf letzendlich Nutzen daraus ziehen könnte.

"Wenn sich künftig noch mehr Menschen hier niederlassen, wird ein Schultheiss allein nicht mehr genügen. Auch die Handwerker und Bürger sollten ein Mitspracherecht haben, ähnlich, wie die Ratsherren einer Stadt. Ich werde sie einladen und mit ihnen darüber reden."

"Der Gedanke ist nicht schlecht," meinte Paul, "sind sie einverstanden, können sie Sprecher wählen, die ihre Interessen vertreten. Zuvor jedoch solltest du dich erkundigen, wieviel Männer es sein sollten."

Du liebe Güte, wen sollte ich da um Rat fragen? Enki würde davon keine Ahnung haben, wenn er denn überhaupt im Mühlingen war, Ambrosius ebenso wenig. Blieb eigentlich nur Landvogt Ottmar."

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Sa 8. Nov 2014, 02:47

"Es gibt keine Vorschrift, wieviele Männer in einem Rat sein müssen, einzige Bedingung ist, dass sie entweder einen Hof oder einen Betrieb besitzen. Ich würde meinen, dass für Freidorf drei Ratsmitglieder neben dem Schultheiss und dessen Stellvertreter ausreichend sind. So lässt sich in strittigen Fragen auch schneller eine Einigung herbeiführen, als wenn sich womöglich zehn Männer einig werden sollen."
Landvogt Ottmar sah mich nachdenklich an. "Allzu lange wird es wohl nicht mehr währen, bis Du um den Erwerb der Stadtrechte nachsuchen kannst und der zukünftige Hafen sollte genug Geld nach Freidorf bringen, um diese bezahlen zu können."

Nachdenklich begab ich mich auf den Heimweg. Drei Männer also. Keylam der Lehrer sollte auf jeden Fall dazugehören, war doch ein kundiger Schreiber dringend vonnöten. Schließlich mussten die Beschlüsse des künftigen Rates schriftlich niedergelegt werden. Über die beiden anderen Mitglieder mussten die Männer des Dorfes entscheiden.
Ich beschloss, nach dem nächsten Gottesdienst alle in mein Haus zu laden, die für das Amt eines Ratsmitgliedes infrage kamen.

Plötzlich wurde mir bewusst, was der Vogt über die Stadtgründung gesagt hatte. Sollte die Erfüllung meines Traumes wirklich so greifbar nahe sein?

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Di 30. Dez 2014, 23:16

"Wozu brauchen wir denn plötzlich einen Rat?" Hans, der Müller schüttelte den Kopf und nahm einen weiteren Schluck aus dem Bierglas. "Bislang haben du und Paul doch ausgereicht."
"Das ist richtig, aber Freidorf wird sich in den nächsten Monaten verändern. Schon in Kürze soll mit dem Bau des Kontors begonnen werden und sobald der Kanal fertig ist, werden Werft, Waffenschmiede und ein Handelshaus folgen. Angeblich ist auch eine Taverne für die Matrosen geplant. Es werden große Warenmengen benötigt und somit auch weitere Werkstätten, wenn wir das Geschäft nicht anderen überlassen wollen. Freidorf wird also größer, als wir uns das bislang vorstellen konnten und es wird nötig werden, die Interessen des Dorfes auch dem König und vermutlich fremdländischen Händlern gegenüber zu vertreten. Ich bin Bauer, was weiss ich, welche Nöte einen Zimmermann, Müller oder Brauer bewegen, wenn wir es nicht mehr nur mit einer kleinen Dorfgemeinschaft zu tun haben."
Eine Weile herrschte Schweigen im Raum.
" Saloniki hat recht. Es müssen ja auch Preise für unsere Waren ausgehandelt werden, da sollten wir wohl mitreden dürfen und ," der Fischer nahm einen großen Schluck aus dem Glas, "wir sollten für alle Berufszweige einen Sprecher haben. Paul mag die Holzarbeiter vertreten, aber dann sind da noch die Lebensmittelhersteller, Brauer und Winzer und auch die Schneider, Weber und Seiler. Also denke ich, vier Mitglieder im Rat sollten es schon sein."
"Es können auch vier Mitglieder sein," entgegnete ich, "nun müsst ihr euch nur noch einigen, wer welchen Berufsstand vertreten soll. Ich denke, wir sollten uns am nächsten Sonntag erneut zusammenfinden. Unterdessen könnt ihr euch beraten, wer von euch dem Rat angehören soll."

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Fr 2. Jan 2015, 01:50

Ich hatte so meine Zweifel, dass sich die Männer wirklich untereinander einigen würden, bedeutete es doch, Einem eine gewisse Macht über die anderen zu übertragen. Was der Rat mehrheitlich entschied, musste von Allen getragen werden, mochte es ihnen gefallen oder nicht.
"Noch kennt man sich", meinte Paul, "das wird eine Entscheidung leichter machen. Wer später nach Freidorf kommt, muss sich in die gegebene Ordnung fügen oder eine andere Bleibe suchen. Du machst dir einfach zuviele Gedanken."
Er hatte leicht reden, ich wollte keinen Unfrieden im Dorf und keinen Neid untereinander und doch war ein Rat im Hinblick auf die Zukunft dringend nötig.
Die Woche war kaum zur Hälfte vergangen, als Hans von Bamberg sich bei mir melden ließ. Der König wünsche, dass ich meine Felder unterhalb des neu zu errichteten Hafens gegen einen Teil seines Landes tausche, sobald die Ernte eingebracht sei. Selbstredend würde das neue Ackerland auf Kosten des Königshauses gerodet und gepflügt im nächsten Frühjahr zur Aussaat bereitstehen. Auf meinem bisherigen Land sollten neue Betriebsstätten errichtet werden. Das hatte zumindest den Vorteil, dass mein Gesinde unbehelligt würde seinen Dienst verrichten können, weigerten sich die Mägde doch immer noch, in der Nähe der Baustelle zu arbeiten.
Paul sollte Recht behalten. Am Sonntag erklärten mir die Männer einmütig, dass Paul die Holzarbeiter, Anton die Getränkehersteller vertreten und Hinnerk für den Lebensmittelbereich zuständig sein solle. Die Männer gelobten mir nochmals die Treue und versprachen, ihr Amt nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben. Auch würden sie sich jedem Bestechungsversuch widersetzen.
Aylan zückte umgehend die Feder um diesen Beschluss niederzuschreiben.

Gast

Re: Vom Leibeigenen zum Stadtgründer

Beitrag von Gast » Di 3. Feb 2015, 23:50

Am Tag darauf trafen neue Bauarbeiter ein, sie sollten mit der Errichtung des Kontors beginnen. Gleichzeitig würden auf der anderen Kanalseite die Schiffswerft und die Rüstungsschmiede gebaut. Taverne und Handelshaus waren für das kommende Frühjahr geplant, bis dahin sollte der Duchstich des Kanals erfolgen.
Die Freidorfer machten gute Geschäfte. Die Arbeiter wollten verköstigt werden und auch etliches an Baumaterial wurde im Dorf gekauft. Binnen kurzer Zeit waren wir um einige Bewohner gewachsen, die neue Küchen und eine weitere Bäckerei betrieben.
Da auch die Einnahmen der Gemeindekasse wuchsen, hatte ich eine Wache angeheuert, die darauf achten sollte, dass die Freidorfer nicht behelligt würden. Zwar hatte der Baumeister ein Auge auf seine Leute, doch auf Schritt und Tritt folgen konnte er ihnen auch nicht.

Die neuen Äcker waren bepflanzt worden und alles schien seinen gewohnten Gang zu nehmen. Im Juno sollte die feierliche Eröffnung des Kanals stattfinden. Doch soweit sollte es nicht kommen.

Im Maien begann es zu regnen, Tag um Tag und Nacht um Nacht. Bald standen die Felder unter Wasser und das Gelände jenseits des Dammes begann zu überfluten. Noch waren die Wassermassen weit von Freidorf entfernt, drückten aber bedrohlich gegen die lediglich mit Pech abgedichteten Stämme des künstlichen Deiches. Freilich verstand ich nicht sonderlich viel vom Kanalbau, doch die zunehmende Unruhe des Baumeisters bereitete mir unruhige Nächte.
Die Arbeiten an den Gebäuden waren eingestellt worden, da neues Material über die überfluteten Wege nicht mehr herangeschafft werden konnte. Noch konnten wir die Arbeiter mit Nahrung versorgen, aber wie lange noch? Hielte der Regen noch Tage oder gar Wochen an, würden bald alle Vorräte verbraucht sein und die künftige Ernte wäre verdorben.
Es drohte eine Hungersnot für die Freidorfer, denn auch aus den umliegenden Dörfern würde man keine Nahrung beschaffen können, waren sie doch alle vom Regen heimgesucht.

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